Dienstag, 22. März 2022
Veränderungen.
Mir geht es so schlecht wie seit Jahre nicht.
Ausgebrannt und Verstimmt.

Ich habe zugenommen, trinke fast täglich Alkohol, bewege mich kaum und habe kaum Kontakt zu Menschen.

Das Problem?
Ich ziehe um. Nach sieben Jahren in meiner alten Wohnung.

Wieso?
Weil mich die alte Wohnung umbringt.

Die Enge. 20qm. Menschliche Stallhaltung.

Die Lage. Heruntergekommenes Viertel, tägliches pissen Betrunkene in den Hinterhof, Müll sammelt sich vor der Tür und wird ohne Grund in meinen Briefkasten gesteckt.

Die Nachbarn. Laute Musik vermischt sich mit porneskem Gestöhne mit Baulärm zur jeder Zeit ohne Rücksicht oder geschlossenen Fenstern. Und endlose Pakete. Endlos. DHL, Post, Amazon. Und natürlich nie zuhause, aber trotzdem wird im ganzen Haus geklingelt.

Das Fenster. Kaum zu öffnen, da zum verpissten Hinterhof, mit einem Fingerbreit Sonnenlicht zur günstigsten Stunde. Und natürlich die psychisch-kranke Alte im Nachbarhaus, die mir unaufhörlich in die Wohnung schaut, weil ihr Leben nicht mehr hergibt.

Was früher den Reiz des Anonymen, Verruchten, Verkommenen hatte, ist zur Qual geworden. Oder lag es nur daran, dass ich mir als Student nichts besseres leisten konnte?

Die Lösung?
Umziehen.

Das Resultat?
Ich sitze in meiner möblierten Wohnung und sterbe. Sie ist entmenschlicht. Die Möbel, die mir nie gehört und nie gefallen haben sind kahl, alles fehlt, ist bereits in der neuen Wohnung. Die Bücher, die Andenken, die Bilder, die Antiquitäten. Leere Regale, Leere Vitrinen.

Unwohnlicher als das billigste Hotelzimmer fühle ich mich meiner Identität beraubt. Für einen minimalistischen Lebenstil bin ich zu kreativ.

Mein Blick verweilt auf leeren Regalen, wo früher Ideen, Erinnerungen, Gefühle standen. Ein einfacher Buchrücken der eine Reihe von Emotionen auslöst, nur dadurch, dass er gelesen wird.

Ein Ende ist in Sicht. Der längst überfällige Tapetenwechsel.
Wie lange es wohl dauert, bis man sich heimisch fühlt?

Und irgendwo gibt es ein Verlangen, eine tiefe Hoffnung auf Veränderung.
Ein neues Leben. Ein verändertes Leben.
Echtes Leben.

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Mein lieber Kas,
du hast einen riesigen Schritt raus aus deiner Ödnes gemacht. Veränderungen sind beängstigend, das ist sehr nachvollziehbar. Und doch machst du diesen Schritt. Vielleicht, wenn all die Bücher in Regalen stehen, die dir gefallen und du in deiner neuen Wohnung mehr von dir selbst einbringen kannst... Vielleicht - nein, ganz bestimmt! - geht es wieder Berg auf!
Und denke immer daran: Eins nach dem anderen.

Liebe Grüße und dicke Umarmung
Lanika

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