Donnerstag, 20. Juni 2019
Report #66
Wie's mir geht hat mich lange niemand mehr ernsthaft gefragt. Man schlägt sich wohl irgendwie so durch. Aber mir gehts nicht gut.

Aber zuerst was positives: Heute (gerade) habe ich zum ersten Mal seit zwölf Tagen wieder Alkohol getrunken. Ist doch irgendwie positiv, denke ich.

Und was gibt es sonst so neues von der Front? Ich quäle mich so durch. Irgendwie ziellos, planlos.

Ich habe auf einer alten Festplatte zufällig noch ein paar alte Texte und Gedichte gefunden und hatte leicht Gänsehaut beim lesen. Um ehrlich zu sein, halte ich einige davon immer noch für verdammt gut. Aber wen kümmern schlechte Gedichte heute, Euterpe ist tot.

Aber es hat mich auch traurig gestimmt, weil ich nicht weiß, wann ich das letzte mal diese Kreativität gespürt, ausgelebt habe, wie damals als ich all diese Zeilen schrieb. Irgendwas, vielleicht der Alltag, raubt mir die Kraft, die Kreaitivität. Ich versuche nebenbei noch an einem kleinen, flachen Roman zu schreiben, der so unfassbar schlecht ist und den nie jemand lesen soll, und der nur dafür bestimmt ist, dass ich mich zwinge, einige Zeilen herauszubringen und den Alltag zumindest etwas hinter mir zu lassen, indem ich diesen Albtraum von Geschichte weiter denke.

Und sonst fühle ich mich ziemlich einsam. Das Problem derer, die zu gut alleine zurecht kommen, denke ich mir immer. Vielleicht ist das auch einfach nicht meine Welt. Was soll's?
Ich meine, ich bin kein introvertierter Mensch, ich habe kein Problem damit irgendjemand anzureden, aber ich merke, wir mir leider niemand das geben kann, was ich suche.

Auf der alten Festplatte bin ich auch auf eine vier-stündige arte-Verfilmung von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit<< von Marcel Proust gestoßen, die ich mir vor Jahren mal aus der arte-Mediathek heruntergeladen hatte und kurz darauf durchgeschaut hatte. (Falls es jemanden interessiert, es ist die zweiteilige Verfilmung von Nina Companéez, kein Plan ob man die heute noch irgendwo online findet.) Auf jeden Fall wird die Beziehung des Hauptcharakters zum schwulen Robert de Saint-Loup so intensiv dargestellt. Auf geistig-intellektueller-sensibler-kreativer Ebene. Mir fehlt der richtige Begriff. Es gibt die Szene, in der der Graf (?) de Saint-Loup den Hauptcharakter zum letzten Mal besucht (der von seiner Schwächlichkeit und Sensibilität gezeichnet ist) und ihn über die Herrlichkeit des Krieges berichtet und wie er glaubt, das die erzählende Person, das was er empfindet aufgrund seiner Sensibilität nachempfinden könnte, im Gegensatz zu all den anderen. Die Hauptperson schiebt die Kriegsbegeisterung des schwulen Grafen, dann darauf, dass der Krieg all die jungen Männer an die Front geholt hat, was die Situation für einen Schwulen in der Stadt nicht gerade angenehmer macht.

Es erinnert mich dabei irgendwie an die Reise oder an "Reise ans Ende der Nacht" von Celine, in der die "mysteriöse" Person des Robinson der Hauptperson Bardamu in vielen Dingen vorweg kommt und ähnliches erlebt und dadurch Bardamu besser verstehen kann(?). So habe ich es zumindest in meiner Erinnerung, ich habe den Wälzer lange nicht angefasst, war auch nicht so angenehm zu lesen, wenngleich ich mich an die Phrase: "Wir sind die Lustknaben von König Elend" erinnere, die ich so unfassbar mächtig fand.

Worauf ich hinaus will ist, dass mir jemand fehlt der mich versteht. Oder versucht mich zu verstehen. Was garnicht so einfach ist, weil um ehrlich zu sein, lieber Leser und liebe Leserin, versteht ihr euch selbst?

Es ist wieder wahllos was ich schreibe, aber wart ihr das nicht mal gewöhnt, liebe Leserin und lieber Leser?

Aber noch was positives: Ich bin nun mehr oder weniger "Autor." Nicht von einem Gedichtband oder einem schlechten Roman, sondern Co-Autor von mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichung in internationalen, (mehr-oder-weniger) renommierten Fachzeitschriften und Fachkonferenzen.

Hurrah!
Jeder klatscht.
Vielen Dank!

Einer wissenschaftlichen Karriere mitsamt Promotion stände also theoretisch wenig im Wege. Zu Glück weiß ich nicht, was ich will.

Das war's.
Der Clown tritt ab.
Und erinnert sich, weil er es gerade mal wieder liest, an die Worte des Sub Marcos:

Vielfältige und aufsehenerregende Ehrerbietung seien Eurer Schönheit übermittelt.

Ich geb' mich nicht auf.

Wie immer, nur im Besten,
alles Glück der Welt wünschend,

Kas

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Take me back
Nach einem Anflug von Melancholie (oder was auch immer) habe ich mal wieder in meinen Blog eingeloggt und meine Leseliste überflogen (dich eingeschlossen).
Fühlt sich seltsam an, aber vertraut, aber vielleicht nur, weil ich mich seltsam anders fühle als damals.
...
Ist Alkohol trinken positiv?
Versteht überhaupt jemand jemanden? Ich glaube, ich nicht und ja, manchmal verstehe ich sogar mich selbst nicht.
Glückwunsch zur Veröffentlichung!
Gib nicht auf! Finde Kreativität und Zweisamkeit!

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Schön mal wieder etwas von dir zu hören, Juli!

Nein, aber zwölf Tage ohne, traurigerweise.

Also nicht zwölf Tage keinen Alkohol getrunken zu haben, sondern immerhin zwölf Tage...

Danke!

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