Mittwoch, 14. November 2018
Report #60
"Mancherlei Abstoßendes in dem, was ich zu erzählen habe, mag durch die Verhältnisse bedingt gewesen sein."
beginnt das erste Kapitel der Einleitung in T. E. Lawrences die Sieben Säulen der Weisheit.
Über das erste Kapitel der Einleitung kam ich bisher noch nicht raus. Ich will mich ganz einlassen auf das was er schreibt - ich liebe sein Stil - und das konnte ich bisher noch nicht.

Wie's mir geht? Schwer zu sagen. Es war ein hartes Wochenende und ein noch härterer Start in die Woche. Ich trinke wieder viel. Ich nehme wieder Tabletten zum Schlafen. Ich schlafe schlecht.

Ich gebe mich nicht auf.

Ich gebe alles andere auf, was mich hemmt, was mir nichts gibt oder nicht das, was ich brauche. Italo Calvino schreibt am Ende von Die unsichtbaren Städte, das es zwei Arten gibt, nicht unter der Hölle der Lebenden zu leiden: Sie zu akzeptieren und so sehr Teil von ihr zu werden, dass man sie nicht mehr sieht oder zu suchen und zu erkennen, was in dieser Hölle nicht Hölle ist und ihr Dauer und Raum zu geben.

Scheiße, ich hätte mit beiden gerne gesprochen. Mit Lawrence über seine Zeit bei den Araber und mit Calvino über seine Zeit bei den Partisanen. Eine andere Zeit.

Ich muss aufhören zu trinken. Zumindest alleine jeden Tag. Verdammte Sucht. Scheiß Tabletten.

Sie entschuldigen meine Ausdrucksweise, aber ich mache mir Sorgen. Was soll's. Und mit der Ausdrucksweise wird's heute leider nicht besser.

Gestern war ich mit einem alten Klassenkameraden Mittagessen. Seit sieben Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen und das Treffen kam zufällig über einen gemeinsamen losen Bekannten zustande. Mit Verlaub, er sah scheiße aus.

Leukämie. Mittlerweile seit eingier Zeit besiegt, soweit man das besiegen kann. Ich wusste von seiner Krankheit, aber ich wusste nicht wie er aussehen würde, da er in Whatsapp kein Profilbild hatte und ich ihn auch sonst nirgends gefunden habe.

Er war nicht mehr der sechzehnjährige Junge den ich kannte, den ich im Gedächtnis hatte. Seine Haare waren licht und wohl nicht mehr richtig nachgewachsen und sein Gesicht gezeichnet, es wirkte erschöpft und fahl. Scheiße, mit dreiundzwanzig sollte man nicht so aussehen. Scheiße, tut er mir Leid.

Und ich denke, ich habe Probleme. Klar, jeden Tag verhungern Kinder in Afrika, die haben Probleme. Und jetzt kann man argumentieren, dass ich trotzdem das Recht habe auf Probleme, auch wenn afrikanische Kinder verhungern. Andere Probleme, als sie natürlich.

Und ich sitze da, trinke mein Bier, denke über meine verschwendete Zeit nach, über Sie, die ich eigentlich vergessen will, über mein Bier, das ich brauche, über das, was ich verpasse und alles andere.

Ich gebe mich nicht auf.

Ich werde was ändern. Ich nehme es mir jedes Mal vor, jeden verdammten Tag. Und irgendwann packe ich es. Ich gebe mich nicht auf.

Adieu Bruder Alkohol, bon voyage schönste Frau. Ich gebe euch auf. Es wird Zeit Probleme niederzuringen und neues anzugehen. Ich gebe anderen Dinge von nun an Raum und Zeit.

Eigentlich würde ich es hier beenden, doch eins ist mir noch wichtig: Die DKMS macht einen echt guten Job, denke ich, und wenn ihr, liebste Leser und Leserinnen, eine Chance habt euch typisieren zu lassen, macht's. Ich bin auch registriert und wenn der Brief kommt, ist es eine Selbstverständlichkeit zu helfen.

Und sonst geht ein Toast raus, an alle die Ärzte und Forscher, die ihren Grips, ihre Zeit und Kraft benutzen um den Menschen zu helfen und dieses Übel zu erforschen und zu besiegen. Das nächste Bier geht auf euch. Tiefsten Respekt und Hochachtung.

Gebt euch nicht auf.

Nachdenklich trinkende und doch zuversichtliche Grüße,
Kas

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Ich weiß nicht.
Ich bin Blut- und Organspenden gegenüber ganz allgemein misstrauisch.

Jeder stirbt.
Und da ein paar Jahre mehr rauszuhandeln?
Für was?
Für wen?
Warum?

Meine Tochter hat sich umgebracht.
Da hilft keinerlei Spende.
Egal ob finanziell oder organisch.

Es gibt und macht ja grundsätzlich keinen Sinn, wenn Kinder früher sterben, als die Eltern.
Das sehe ich noch als halbwegs vernünftigen Grund an, schwer kranken Kindern zu spenden.
Aber ich kann ja nicht bestimmen, wohin meine Spende gelangt und vielleicht für irgendeinen "Reichen", der sich vielleicht ein paar entscheidende Plätze vorgekauft hat, vorgemerkt wird?

Ich weiß nicht.
Mein Misstrauen ist größer, als meine Hoffnung, die Richtigen zu "erwischen".




Das mit dem Alkohol verstehe ich.
Es macht nix besser.
Aber ich verstehe.
Es erfüllt eine Leere, die gefüllt werden "muss", weil sie schmerzt.

Aber Frauen?
Andere Menschen?
Verstehe ich nicht mehr so wirklich.
Vielleicht bin ich zu abgebrüht.
Menschen wechseln im Leben.
Warum nicht Lieben?
Wenn Dich die Eine nicht will, dann gibt es sicherlich jemand Anderen, die GENAU Dich will.
Vielleicht auch nur auf begrenzte Zeit wie die Erstere, aber das ist nur bedingt Deine Entscheidung.

Ich finde, da hilft nur Akzeptanz und Loslassen.

Eigentlich wie bei Allem im Leben.

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Ich weiß nicht, ob ich behaupten kann Sie zu verstehen, aber ich würde, wenn ich's könnte. Ich hoffe sie verstehen mich.

Skepsis ist immer gut. Meine Meinung. Organespende... ich weiß nicht, schwierige Sache. Aber Blut? Wird doch eh nachproduziert...

Ich weiß nicht, ob Alkohol die Leere füllt, oder nur das Gefühl gibt, das er sie füllt. Schlussendlich bleibt jeden Morgen die gleiche Leere zurück - um doch wieder neu gefüllt zu werden.

Probleme muss man wohl doch irgendwie angehen und nicht antrinken.

Die "Eine". Ich weiß nicht. "Sie" ist eher eine literarische, idealisierte Figur, denke ich. Auf jeden Fall muss ich um ehrlich zu sein sagen, das "Sie", wie ich sie hier immer/manchmal nenne, eigentlich mehrere Frauen sind. Eben Frauen die irgendwann auftraten in meinem Leben und wieder abtraten und dabei ganz unterschiedliche Rollen spielten. Und das ist auch gut so, denke ich. "Sie" ist nicht perfekt, aber "Sie" gab/gibt oder könnte mir das geben was ich brauche, denke ich. Ich trauere "Ihr" nicht nach, auch wenn ich jede von ihnen wirklich geschätzt habe. Es geht mir hier auch nicht nur um "intime" Beziehungen, sondern eher um was "spirituelles" (?).

Vielleicht gibt es die "Eine", die GENAU mich will und die frage bleibt, ob ich "Sie" will. Wird sich zeigen und ich werde auf jeden Fall weiter suchen.

Akzeptanz und Loslassen klingt gut. Die nächste "Sie" kommt und vielleicht ist es wirklich Sie, wer weiß.

Immerhin habe ich das trinken akzeptiert, jetzt muss ich's nur wieder lows werden.

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Der Hinweis, mit "den" Frauen lässt mich aus anderer Perspektive lesen.
Finde ich aufklärend und ändert "alles" an diesen Texten.

Aber um Verständnis für mich zu entwickeln, muss man mich wohl kennen.
Und selbst dann habe/hätte ich meine Zweifel.
Macht aber nix und ist auch nicht mein Ziel.
Weder hier, noch anderswo.

Beim Trinken sehe ich den erhellenden Punkt darin, überhaupt erkannt zu haben, ein Trinkproblem zu haben.
Wenn das Interesse, oder der Leidensdruck groß genug ist, kann man sich auch Hilfe und Unterstützung holen.
Die Wahrscheinlichkeit, dieses Problem dann in den Griff zu bekommen, soll signifikant steigen, im Vergleich zu alleinigen "Versuchen".
Wobei die Rückfallquote grundsätzlich sehr hoch sein soll.
Keine Ahnung, ob dies nun Ansporn ist, oder Resignation auslöst.

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