Montag, 25. April 2016
Stadtwolf
„Gib uns dein Zeug, Junge!“

Sie sind zu dritt. Ich sehe mindestens zwei Messer in der Dunkelheit. Sie tragen schwarze Sachen und die Nacht erlaubt mir nicht ihre Gesichter zu erkennen. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand, sie hatten mir aufgelauert und mich dann umstellt. Wahrscheinlich hatte sie nicht unbedingt mir aufgelauert, sondern irgendjemanden, und ich hatte nun das Pech, aber eigentlich war mir das in diesem Moment ziemlich gleich.

Mein erster Gedanke galt der Flucht, allerdings verwarf ich ihn gleich. Sie waren zwar noch gut zwei Meter von mir entfernt, aber den Ring den sie um mich geschlossen hatten, war eng. Sie waren größer als ich und ich dazu noch in fürchterlicher Form. Es würde für sie ein leichtes sein, mich einzuholen und mich dann fertig zu machen.

Ich versuche mich zu beruhigen und die Situation anzunehmen. Hunderte Male habe ich sie schon im Geiste erlebt. Hunderte Male geübt. Ein wohliges Gefühl der Bekanntheit macht sich breit. Ich kann wieder klare Gedanken fassen. Ich erinnere mich an dass, was ich vor Jahren gelernt habe.

Wer sein Messer offen zeigt, verliert den Großteil seines Vorteils, denn das Opfer kann sich darauf einstellen. Wer mit den Fäusten droht, will Prügel, wer mit einer Waffe droht, will Krieg. Ich gehe in Stellung, nehme meine Hände zum Schutz nach oben und schaue sie finster an. Dann schalte ich ab.

Sie sagen noch etwas, doch ich blende sie aus, konzentriere mich auf ihre Handlungen, ihre Körpersprache. Sie kommen näher. Es mag leichtsinnig sein, doch ich bin kein Opfer. Ich wollte nie hier sein, sie haben mich gedrängt. Nun bin ich hier und werde nicht gehen.

Die Beißkraft des Menschen übersteigt die des Wolfes. Ich bin ein Wolf der Stadt, ein Wolf der Nacht. Ich sehe ihn schnell kommen, dass schwingende Messer, ich weiche nicht aus, springe ihm entgegen. Mein Angriff überrascht ihn, wir stürzen hart zu Boden. Ich beiße ihm mit aller Kraft in den Hals. Er schreit. Seine Kameraden schreien. Ich schmecke das warme Blut.

Ich erwarte Stiche und Schläge, doch nichts. Ich lasse von meinem schreienden Opfer ab, sehe mich um. Mein Körper bebt. Seine Kameraden sind wie eingefroren, nur verstörte Blicke treffen mich.

Mein animalischer Trieb lässt mich nicht los. Ich renne los, weg, hinein in die leere Stadt. Ich bin ein Wolf. Ein Wolf der Stadt. Ein Wolf der Nacht.

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